Klettersteiggehen like a Pro

Wissenswertes zu heimischen Eisenwegen
Klettersteig gehen zu zweit | © Stefan Leitner

Übersicht

Veröffentlicht am 29.08.2022, Lesedauer: 6 Minuten

Genau genommen zählen Klettersteige zur ältesten alpinen Infrastruktur. Schon vor Jahrhunderten wurden für Transportzwecke Strecken mit Leitern, Holzelementen und anderen Hilfsmitteln zur Absicherung und Trittsicherheit ausgestattet. Doch die sportlich-touristische Komponente ist vergleichsweise jung: 1843 wurde der erste Klettersteig Europas am Dachstein eingerichtet – und von dort nur langsam in die restliche Alpen exportiert.

Einen richtigen Boom erlebte das Klettersteiggehen erst in den 80ern. Seither wuchs die Zahl der Routen in Europa stark an, besonders in der Hochburg Österreich:

  • Österreich: 724
  • Italien: 560
  • Deutschland: 276
  • Frankreich: 245
  • Schweiz: 196
  • Spanien: 159

Die Erschließung neuer Klettersteige wurde immer auch kritisch betrachtet, immerhin sollten sich Vie Ferrate bestmöglich in Fels und Natur einfügen. Auch die Alpenvereine verweisen auf verschiedenen Faktoren der natürlichen „Raumplanung” und fördern ökologisch verträgliche Projekte. Mit über 700 Klettersteigen in allen Bundesländern alleine in Österreich lässt sich jedenfalls sagen: Zumindest ein Klettersteig befindet sich auch in deiner Nähe. Und zwar nicht nur dort, wo man sie vermutet, denn die Eisenwege haben sich nicht nur auf den Bergen eingefunden. Viele außergewöhnliche Orte, wie der Wiener Flakturm oder die Schlegeis-Staumauer in Tirol, sind zu spektakulären Sportstätten geworden.

Teil des Alpinismus & Trainingsplans

Neben dem Naturerlebnis oder dem außergewöhnlichen Schauplatz erwartet dich am Klettersteig  eine sportliche Komponente. Je nach Schwierigkeitsgrad (A bis E) ist diese mehr oder weniger intensiv. Dadurch lässt sich der Ausflug in den Eisenweg perfekt planen und dem eigenen Skill anpassen. Als sportlicher Ausflug mit der Familie oder Teil einer Wanderung eignen sich die Klettersteige ebenso wie als Komplementärprogramm im Trainingsplan oder als fordernde Krafteinheit. Entsprechende Ausrüstung vorausgesetzt. 

Equipment-Checkliste

Die MUST-HAVE-Ausrüstungsliste für den Klettersteig ist überschaubar. Wenn du dich mit den sicherheitsrelevanten Komponenten ausstattest, bist du theoretisch ready to go. Ein Beispiel-Setup von SALEWA:

Salewa Vayu 2.0 | © Salewa

Salewa Vayu 2.0

(UVP € 150,–)

Salewa Ergo Tex Klettersteigset | © Salewa

Salewa Ergo Tex Klettersteigset

(UVP € 130,–)

Salewa Mountain Trainer Men Klettersteigschuh

Salewa Mountain Trainer 2 M Klettersteigschuh

(UVP € 140,–)

Optional macht dir das Leben als Klettersteiggeher leichter:

Salewa Wildfire 2 Zustiegsschuh | © Salewa

Salewa Wildfire 2 Zustiegsschuh

(UVP € 150,–)

Salewa Agner Hybrid  Jacke | © Salewa

Salewa Agner Hybrid PL/DST FZ

Hoodie (UVP € 120,–)

Salewa Via Ferrata Leather Gloves | © Salewa

Salewa Via Ferrata Leather Gloves

(UVP € 40,–)

Salewa Klettergurt Via Ferrata Evo

Salewa Via Ferrata EVO

Klettergurt (UVP €60,–)

Was gutes Material ausmacht

Wer sich neu mit Material eindeckt, steht einer großen Auswahl an Produkten gegenüber. Wichtig zu wissen dabei ist, dass sämtliche Produkte hohe Sicherheitskriterien erfüllen müssen. Worin sie sich unterscheiden, sind vor allem die praktischen Features. Im Fall des Klettersteigsets Salewa Ergo Tex übernimmt das Material vieles, das die Stunden im Klettersteig deutlich angenehmer macht, wie zum Beispiel: 

  • Rastschlaufe → um unkomplizierte Pausen einzulegen
  • Karabiner mit extragroßer Öffnung → für bequemeres Einhaken
  • elastische Sicherungsarme → um schneller voranzukommen
  • Drehgelenk → um Verdrehen der Sicherungsarme zu verhindern

Vorbereitung & Einstieg

Das Beste am Klettersteiggehen: So gut wie jeder bringt die Voraussetzungen mit, um zumindest einfache Vie Ferrate zu bewältigen. Die Hürde zum Einstieg ist relativ gering. Sportler, die mit dem Klettern liebäugeln, können das Klettersteiggehen etwa als Sprungbrett benutzen. Boulderer wiederum können es als Einstieg ins Felsklettern betrachten. Und Wintersportler sehen es als Ausgleich im Sommer. Je nach Ausdauer, Muskelkraft und Motivation bieten sich unterschiedliche Schwierigkeitsgrade an. Die Technik kommt mit der Erfahrung, eine gute Abkürzung sind allerdings Klettersteig-Kurse oder Camps. Dort wird die Grundtechnik vermittelt.

Wissenswertes vom Profi: Günther Karnutsch von der Bergsteigerschule Salzburg Alpin verrät die wichtigsten Hintergründe zum Klettersteiggehen.

Was ist der größte Unterschied zum Klettern?

Die Griffe und teilweise auch die Tritte sind im Klettersteig durch das Stahlseil, mitunter auch Bügel, Stifte und Leitern, schon vorgegeben. Subjektiv wird dadurch meist eine geringere Gefahr angenommen, was aber nur teilweise stimmt. Ein Totalversagen der Ausrüstung, das einen Absturz aus dem Steig zur Folge hätte, kann bei korrekter Anwendung derselben und bei Befolgung der Sicherheitshinweise nahezu gänzlich ausgeschlossen werden. Die Verletzungsgefahr bei Stürzen ist aber bedingt durch die Nähe zu den technischen Einrichtungen ungleich höher und führt fast immer zu schwersten Verletzungen.

Wie ordnest du Klettersteiggehen im Vergleich zu Bouldern, Sportklettern und Felsklettern ein?

Die Technik des Klettersteiggehens kann leichter und schneller erlernt werden. Bouldern erfordert komplexe Kletterbewegungen und Bewegungsabläufe. Sportklettern und Felsklettern benötigen darüber hinaus eine gezielte Ausbildung in Seil- und Knotenkunde, Sicherungstechniken und alpinem Fachwissen.

Was müssen Quereinsteiger aus ähnlichen Sportarten beachten?

Vor allem Kletterer sollten beachten, dass trotz ihres Kletterkönnens eine zusätzliche, spezielle Ausrüstung, der Bandfalldämpfer, notwendig ist. Auch gut trainierte Ausdauersportler neigen nach meiner Erfahrung dazu, Schwierigkeiten zu unterschätzen und gerade in alpinen Steigen empfohlene Ausrüstungsstandards zu missachten.

Hast du besonders knackige Klettersteige im Kopf, die auch für erfahrene Bergsteiger bzw. fitte Sportler eine gute Herausforderung sind?

Spontan denke ich dabei an den Seewandsteig nahe Hallstatt, den Königsjodler, die Superferrate (Anna/Johann/Schulteranstieg) am Dachstein oder den Tabaretta-Klettersteig am Ortler.

Was kann beim Klettersteiggehen schiefgehen?

Als wesentlichster Punkt: eine falsche Tourenplanung, etwa wenn die Schwierigkeit unterschätzt wird. Falsche oder ungenügende Ausrüstung wie kein genormtes Set, zu wenig Reservebekleidung, Flüssigkeitsdefizit, falsche Wahl der Zeit oder das Ignorieren der Wettervorhersage kommen ebenfalls dazu.

Welche Risiken gibt es bei Zu- und Abstieg?

Diese können mitunter gefährlicher als der eigentliche Steig sein! Es kann sinnvoll sein, das Klettersteigset oder den Helm schon bei Zu- und Abstieg zu verwenden. Im Frühjahr und Herbst oder allgemein im Hochgebirge sollten Schneefelder, Gletscherpassagen berücksichtigt werden. Manchmal benötigt man dazu zusätzliche oder gänzlich andere Ausrüstung wie eine Schuhsohle, steigeisenfeste Schuhe, Steigeisen, Pickel, Snowspikes, Seil etc.

Welche Muskelgruppen werden beim Klettersteiggehen besonders beansprucht?

Bein, Schulter und Oberarmmuskulatur; besonders Neulinge beanspruchen letztere überproportional; meist aus Angst und fehlender (Steig-)Technik.

Welche Tipps hast du beim Überholen bzw. in der Kommunikation?

Überholen nur nach ausreichender Kommunikation und ausschließlich an dafür geeigneten Stellen. Keinesfalls sollte dabei die Sicherungskette mit vollständigem Aushängen der Sicherungen unterbrochen werden. Bei stärker frequentierten Klettersteigen ist besondere Vorsicht geboten.

Welche Ausrüstung ist zwar kein Muss aber macht Sinn?

Handschuhe sind schon aufgrund der Verletzungsgefahr sehr zu empfehlen. Eine Gummierung der Grifffläche erhöht zusätzlich den Grip am oft schon glatt poliertem Stahlseil. Ein Trinkbeutel mit Schlauch verhindert gerade im Sommer Dehydrierung und erspart das wiederholte lästige Abnehmen des Rucksacks.

Routen-Tipps

Eines der schönsten Dinge am Klettersteiggehen ist die Vielseitigkeit. Sowohl im Terrain als auch im Schwierigkeitsgrad. Für alle, die auf der Suche nach einer besonderen Herausforderung sind, deshalb hier vier außergewöhnliche Klettersteig-Tipps:

Kühtai-Panorama-Klettersteig

  • Region: Stubaier Alpen
  • Besonderheit: auch für gut trainierte Sportler fordernd
  • Schwierigkeit: schwer
  • Höhenmeter: 530
  • Gehzeit ca.: 5 h

Seewand Weißsee

  • Region: Hohe Tauern
  • Besonderheit: direkt am See & sehr schwer
  • Schwierigkeit: sehr schwer
  • Höhenmeter: 250
  • Gehzeit ca.: 3,5 h

Leopold-Klettersteig auf die Riegersburg

  • Region: Ost-Steiermark
  • Besonderheit: Burgmauer & Ausblick
  • Schwierigkeit: mittel
  • Höhenmeter: 170
  • Gehzeit ca.: 1 h

Bert-Rinesch-Klettersteig

  • Region: Totes Gebirge
  • Besonderheit: einer der schwersten & längsten Klettersteige Österreichs
  • Schwierigkeit: sehr schwer
  • Höhenmeter: 1.975
  • Gehzeit ca.: 11 h

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